Auszug aus dem Prolog

Niemand bemerkte die einsame Gestalt, die auf der menschenleeren Anhöhe stand und über die Lichter der Großstadt starrte. Ein weiterer Tag neigte sich dem Ende zu.
Stimmengewirr aus den belebten Gassen drang zu ihm empor. Er hörte Musik, Leute, die lachten oder sich lautstark unterhielten.
Mit leiser Wehmut dachte er an seine alte Heimat, wo Legenden noch allgegenwärtig waren, wo Menschen den Geistern und Dämonen gebührenden Respekt zollten. Doch dorthin konnte er nicht mehr zurück.
Hier war alles anders. Eine Welt voller ungeduldiger, lauter Wesen, die versuchten, Zeit zu gewinnen, die nicht vorhanden war. Ganz anders als zuhause im Paradies.
Nein, hier gefiel es ihm nicht. Düsternis und Kühle, an die er sich nicht gewöhnen konnte, der Lärm, und die grelle unnatürliche Beleuchtung.
Es gab so viele andere Plätze im Universum. Wieso nur hatte man ihn hierher geschickt? Selbst die großen Höhlen in den Bergen jenseits des großen Wassers wären besser gewesen, als dieser trostlose Ort hier.
In dieser Gegend war es ständig feucht und viel zu kalt. Es stank nach den lauten Fahrmaschinen, die sich ohne Kamele oder Dromedare fortbewegten. Hartes, kaltes Metall, das mit einer einzigen Person alleine auskam.
Mütter, wie Töchter, Väter und Söhne, alle liefen herum, hatten Pläne, mussten so viel erledigen. Keine Beschaulichkeit, keine Ruhe, nur Rastlosigkeit, wohin er auch blickte.
Verbannt aus den wunderbaren Weiten seiner Welt, trieb er durch Zeiten und Länder, die er nicht mehr verstand– nicht verstehen konnte.
Sehnsüchtig dachte er an seinen geliebten heißen Wüstenwind aus der Heimat. An die sich meilenweit erstreckenden Sanddünen von Merzouga und die schier unermesslichen Zedernwälder mit den grünen Tälern des erhabenen Atlas. Er sah die, mit Gold und Edelsteinen geschmückten Hallen seines Palastes vor sich. Tief im wilden Land zwischen der Wüste und den Bergen verborgen, am Rande alter Lehmdörfer, die sich an das Bergland schmiegten.
Prächtig schimmernde Smaragde und blutrot leuchtende Rubine schmückten die hohen Wände. Seidige Teppiche bedeckten marmorne Böden.
Im Geiste sah er seine Töchter vor sich, wie sie anmutig tanzten und fröhlich die Hallen bevölkerten – wie sie Feinde in ihre Fallen lockten und sie in ihren Bann zogen. Seine prächtigen Töchter, die ihm alle Ehre gemacht hatten, bis zu jenem unglückseligen Tag. Bis in alle Ewigkeit würden sie singen und tanzen, doch er würde sie niemals wieder sehen.
Er dachte an all die schönen Frauen in ihren anschmiegsamen, bunten Gewändern, die ihm stets mit Freude zu Willen gewesen waren. Alle waren so glücklich gewesen. Er war glücklich gewesen, mit ihr, deren Haare wie feingesponnenes Gold über zierliche Schultern fielen. Warm und zärtlich.
Von Liebe durchflutet und ohne Argwohn, war sie ihm in den Palast gefolgt. Entgegen alle Warnungen hatte er sich ihrer angenommen. Bis zu jenem unglückseligen Tag …
Schmerzerfüllt dachte er an ihr Ende. Blutig, unwürdig …
Den schwachen Erdlingen Energien zusätzlich zu entziehen, verstieß gegen die Gesetze. Er haftete für die Taten seiner Kinder, also musste er nach der schändlichen Tat seiner jüngsten Tochter seinem Reich den Rücken kehren. Der große Meister hatte ihm verboten, jemals wieder zurückzukommen. Er hatte einen Fehler begangen. Er hatte sich den Geboten des großen Marid nicht, wie vorgegeben, unterworfen und war durch seinen Ungehorsam in die Verbannung geschickt worden.
Solange er nicht wiederkehrte, würden seine Töchter jedoch leben, und sein Werk fortsetzen. Sie waren stark. Stärker als er. Sie konnten bestimmen, ob Menschen sie sehen durften. Wenn sie wollten, reichten ihre Berührungen aus, um Männer in ihren Bann zu ziehen. Auch waren all seine Töchter mit großer Schönheit gesegnet und würden allesamt bald heiraten. Sie würden prächtige Söhne gebären, die an seiner Stelle über das Reich herrschten. Doch es würde ihm verwehrt bleiben, diesen Triumph mitzuerleben. Stattdessen befand er sich hier, in einem undankbaren Land, voller Hektik und Unruhen. Die Menschen, allesamt blass und unscheinbar, konnten keinem seiner Artgenossen das Wasser reichen.
Bis auf die Eine – diejenige, die für ewig in seinem Herzen verbleiben würde.
Ein Stück Seele – verloren in der Unendlichkeit des Seins. Nur der Schmerz, der würde ewig währen.
Sie hatte mit Liebe überzeugt, niemals hätte er ihr ein Haar gekrümmt, obgleich sie eine Menschenfrau war. Im Gegensatz zu den Erdlingen dieser Zeit. Schwache, undankbare Wesen, voller Argwohn und Scheinheiligkeit. Ganz anders als sie und bei weitem anders als sein Volk jenseits des großen Wassers.
Altbekannte Bilder glitten in seine Erinnerung.
Die engen Gassen seines Dorfes, die vielen Stände im Suq, mit all den begehrenswerten Waren und den warmen, lebendigen Menschen.
Wenn er wollte, konnte er alles vor sich sehen, als ob er noch dort wäre. Fast vermeinte er, die Gewürze auf seiner Zunge zu schmecken, die vielen aromatischen Düfte wahrzunehmen. Kardamom, Safran, warmer Zimt, Muskat und Gewürznelken. Duftende Öle in anmutigen Behältnissen, geflochtene Körbe voller saftiger Datteln und Erdnüsse. Bunt geschmückte Esel und Dromedare, geführt von ihren prächtig gekleideten Besitzern. Auch konnte er, wenn er sich konzentrierte, Geräusche seiner Heimat wahrnehmen.
Stimmengewirr, Kinderlachen, schwatzende, fröhlich feilschende Frauen und Männer, die ihren Tag am Markt begannen.
Schwermütig sah er zum kühlen Nachthimmel empor. Selbst die Sterne, die dort oben leuchteten, erinnerten ihn an seine geliebte Heimat. Heimweh durchflutete jede Faser seines Körpers.
Erst als kühler Wind sein Gesicht streifte, wurde er unsanft aus seinen Erinnerungen gerissen.
Sein Herz zog sich schmerzvoll zusammen, als er sich erneut in dieser fremden, ungastlichen Welt wiederfand.
Die Menschen hatten sich in den vielen Jahren seines Daseins nicht wesentlich geändert, auch wenn sie das dachten. Nur mehr wenige hatten tatsächlich den Willen zu träumen, oder nahmen sich Zeit, für andere da zu sein. Macht und Gewalt herrschten überall. Hier konnte er die Kälte spüren, die diese Menschen ausstrahlten, konnte die Angst und die Wut riechen, die dominierte. Alle wirkten unstet, als hätten sie kein bestimmtes Ziel.
Er fühlte die fremden Gedanken, las die unerfüllten Wünsche der resignierenden Männer und Frauen, die längst schon aufgehört hatten, zu hoffen – oder sogar zu leben. Ein Suhlen in Selbstmitleid und Faulheit.
Ihre Träume jedoch brannten sich in seine Seele, wie glutheiß sprühende Funken. Diesen unwirklichen Schmerz hieß er willkommen, gab sich ihm hin, verband es ihn doch mit seinem Wesen.
Ein hohles Lachen scholl zu ihm empor und riss ihn aus seiner Gedankenwelt. Der leichte Wind riss es mit sich fort und zurück blieb die Leere einer Sommernacht. Bald …
Bald schon würde er sich unter all diese Menschen mischen, ihren Duft in sich aufnehmen und seine Wahl treffen.
Er mochte sie eigentlich nicht – hielt sich lieber von ihnen fern, doch er brauchte sie, und einige brauchten ihn. Deswegen musste er noch eine Weile warten. Erwachsene Erdenwesen konnten ihn nicht wahrnehmen, da sie nicht aufmerksam durch das Leben schritten, wie die Kleinsten ihrer Art.
Kinder gingen noch mit offenen Augen durch die Welt. Sie scheuten nicht davor zurück, alles zu entdecken. Oft sah er sie, wie sie ihn musterten. Nicht ängstlich, oder voller Hass, eher neugierig und mit einem Lächeln auf den Lippen. Dann erzählten sie etwas ihren Müttern, oder den Vätern, die einen ratlosen Blick auf ihn warfen, ohne ihn zu sehen.Kinder bewegten sich nicht verborgen durch das Leben, wie die Großen. Dadurch entdeckten sie oft Dinge, die Erwachsene anhand ihres beschränkten Horizontes nicht mehr wahrnahmen. …

Auszug aus Kapitel 1 – Casper – Wyoming

Der Privatdetektiv Will Sawyer bremste vor einem schönen, alten Haus.
»Das ist die Adresse, Jul.«
Julian Weston betrachtete das Gebäude missmutig. Es war zwar alt, doch sah auch ausgesprochen teuer aus.
»Stinkt förmlich nach Geld«, murmelte er. Will nickte.
»Oh ja, der Superstar hat es vor einem Jahr gekauft. Hoffen wir, dass unsere Verschwundene wirklich hier ist.« Wills grimmigem Tonfall war zu entnehmen, dass ihm der Besitzer des Hauses aufs Äußerste missfiel.
Seit einer Woche durchkämmten sie Wyoming nach der sechzehnjährigen Lorrie Fellner, die von zuhause ausgerissen war, um ihrer Lieblingsband ‚Hell Of Panic‘ zu folgen. Die Eltern des Mädchens, angesehene Bürger aus Casper, hatten Will Sawyer beauftragt, sie zu suchen, nachdem sie einen Brief gefunden hatten, indem ihre Tochter ihnen mitteilte, dass der Leadsänger Collin, sie geschwängert hatte.
Dennoch war es nur der Aufmerksamkeit einer Kellnerin zu verdanken, dass sie Lorrie endlich aufspüren konnten. Sie hatte dem Mädchen am Vortag ein Taxi gerufen und der Taxifahrer, ein netter Inder, erinnerte sich an die Adresse, die das Mädchen angegeben hatte.
Und nun waren sie in Newcastle vor dem Haus, in dem der Rocksänger sich aufhielt, wenn er nicht gerade auf Tour war.
»Wieso sucht sich so einer nicht einfach eines von diesen dürren Models?«
Julian war sauer. Die Eltern schienen nicht genügend Zeit für ihre Tochter zu haben und der Leadsänger war entfleucht, nachdem er Lorrie verführt und geschwängert hatte. Das verzweifelte Mädchen hatte scheinbar keinen anderen Ausweg gesehen, als abzuhauen, um diesem arroganten Mistkerl zu folgen.
»Und wieso zum Teufel redet von diesen Herrschaften keiner miteinander?«, knurrte Julian.
Will zog eine Augenbraue hoch.
»Hm, tja, das frag ich mich schon seit vergangenem Herbst«, brummelte er.
Julian tat, als hätte er nicht verstanden, worauf Will anspielte. Er wusste genau, dass es um seinen überstürzten Aufbruch im Vorjahr ging, als er sein neues Zuhause, die Eagleside Ranch im Mistydew County verlassen hatte, um, wie er sagte, mit Will über den Tod seiner Eltern und Schwester zu sprechen. Er war seitdem nicht wieder zu seinen Freunden Irene und Matt zurückgekehrt, obwohl er oft daran dachte. Doch noch konnte er sich nicht dazu überwinden. Er hatte Will verschwiegen, dass er und Irene sich näher gekommen waren, als beabsichtigt. Nun wusste er nicht, was er tun sollte. Um diesem Gespräch erneut auszuweichen, zeigte er auf das Haus.
»Schau mal da!«
Die Veranda war, bis auf eine Hollywoodschaukel leer und die Haustür stand einen Spalt offen, dennoch stand damit noch nicht fest, ob sich jemand im Haus befand.
»Da oben brennt Licht«, raunte Julian, während er auf ein offenes Fenster im Obergeschoss zeigte. Nun erkannte auch Will das diffuse Schimmern einer Lampe.
»Gut, lass uns nachsehen, ob sie hier ist«, der ältere Mann stieß die Autotür auf und stieg aus. Julian tat es ihm gleich und betrat noch vor Will die Veranda. Trotz der offenen Eingangstür klopfte er. Der Druck seiner Hand ließ die Tür noch ein bisschen aufgleiten.
»Hallo! Jemand zuhause?« Julian trat vorsichtig über die Schwelle.
Keine Antwort. Er rief nochmal, diesmal etwas lauter. Erneut meldete sich niemand.
»Hm, das gefällt mir nicht.« Er sah sich in der schattigen Diele um. Ein unbehagliches Gefühl beschlich ihn.
Will, der ihm gefolgt war, nickte unbehaglich ….

Auszug aus Kapitel 2 – Eagleside Ranch

Der Regen plätscherte gegen die Scheiben des Arbeitszimmers und Irene legte müde ihren Bericht zur Seite.
Eigentlich sollte sie das Wichtigste für das große Ranchertreffen in der Stadt fertig haben, doch sie schweifte viel lieber ab, als sich auf langweilige Rancherproblematiken zu konzentrieren, außerdem war sie müde.
In der vergangenen Nacht hatte sie kaum ein Auge zugetan. Die Albträume waren zurückgekehrt, diesmal in veränderter Form. Sie rannte vor einem Wesen davon, das sie durch eine Wüstenlandschaft jagte. Ehe er sie erreichte, war sie aufgewacht und konnte nicht wieder einschlafen. Wieso sie ausgerechnet in einer Wüste herumrannte, konnte sie nicht verstehen, denn der Wendigo hatte sie durch das kalte Mistydew Gebirge gejagt, dennoch kam ihr die Handlung vertraut vor. Irgendwann gegen fünf Uhr früh war sie in ihr Arbeitszimmer gegangen, um an dem Bericht zu arbeiten.
Ihr Job als freie Journalistin bei der großen Zeitung Cedars Tribune, gefiel ihr normalerweise, doch im Augenblick wollte sie sich lieber vergraben und sich von der übrigen Welt zurückziehen. Die Arbeit auf der Ranch hätte ausgereicht, um zu überleben. Auch hatte ihr verstorbener Onkel Ethan ihr genug vererbt, damit sie auch in schweren Zeiten über die Runden kam.
Ihr Job war es in erster Linie, traumatisierten Pferden zu helfen. Sie war eine Pferdeflüsterin, zumindest nannten die Pferdebesitzer der Gegend sie so. Egal wie problematisch ein Pferd war, sie hatte noch keines im Stich gelassen, auch wenn sie sich mehrmals dadurch in Gefahr begeben hatte.
Zurzeit war es ruhig auf Eagleside. Im Augenblick gab es keine großen Problemfälle, dennoch gab es genug zu tun. Sie hatten ein paar Felder, die sie selbst bestellten. Mais, Karotten, Kartoffel, allgemeines Gemüse, wie Salat, Kohl oder Kohlrüben, dass man selbst gut gebrauchen konnte, und die Wiesen, die sie für das Heu der Pferde brauchten. Dadurch gab es Arbeit in Hülle und Fülle, aber mit Hilfe der beiden Cowboys und Farmhelfer Ben Clay und Nick Wilder, gelang es ihr meistens, mit allem fertig zu werden.
Im Zimmer war es kühl, fast schon kalt, fand Irene.
Ob es an der inneren Kälte lag, die sie seit jenem schrecklichen Erlebnis im Herbst begleitete? Sorgfältig zog sie ihre Strickjacke enger um den Körper. Vermutlich hatte sie deswegen von der Wüste geträumt, um dieser Kälte zu entgehen.
Mr. Lambeck, ihr Big Boss von der Cedars Tribune hatte ihr in den Mails garantiert alle Infos geschickt, doch sie fühlte sich noch nicht bereit, ihren Bericht abzugeben, zumindest redete sie sich das ein.
Eigentlich wollte sie gar nicht nach Cedars. Die große Stadt erschien ihr nach dem schrecklichen Erlebnis im Herbst, fremd und unendlich weit weg. In Wahrheit hatte sie nur Angst davor, sich gehen zu lassen und ein wenig Abstand von der Einsamkeit der Ranch zu bekommen.
Eine Menge Gedanken störten ihre Konzentration, dabei hatte sie bereits alle wichtigen Fakten für den bevorstehenden Vortragstag beisammen. Es gab bereits eine komplette Liste der einflussreichsten Rancher aus dem Mistydew County. Außerdem hatte sie sich ein paar Randnotizen gemacht, die sie im Bericht mit einfließen lassen konnte.
Irene war geübt darin, alte Infos mit neuen Geschehnissen zu einem nigelnagelneuen Artikel zusammenzufassen, sollte es notwendig sein. Außerdem verfügte sie über persönliche und berufliche Informationen zu allen bekannten Ranchern des Mistydew County. Bei einigen war sie beliebt, bei anderen verhasst, doch niemand zweifelte ihre Integrität an. Das machte sie bei ihrem Boss Mr. Lambeck unersetzbar, doch sie war nicht besonders erfreut über diese Tage, an denen sie sich in Schale werfen, und schon am Vormittag Smalltalk führen musste. Scheinheiligkeiten, langweiliges Blabla, dumme, manchmal auch geschmacklose Scherze, scheinbare Nettigkeiten, die bei genauerem Betrachten eher das Gegenteil waren. Ja, Irene wusste, wie es lief, sie wusste, wie es funktionierte, aber sie konnte es nicht ausstehen und im Augenblick waren ihre Gedanken nicht so kontrolliert, wie üblich. Sie würde in der Stadt höllisch achtgeben müssen, um nicht in diverse Gesprächsfallen zu stolpern. Ihr einziger Lichtblick war Peter Lewis, der Vortragende. Er war unter Paint-Züchtern sehr bekannt und geschätzt. Irene hatte schon zwei seiner Seminare besucht.
Ohne den Bericht erneut in die Hände zu nehmen, schlenderte sie zum Fenster und starrte hinaus.
Der Platz vor der Hausweide lag verlassen da. Der Regen hatte inzwischen die Erde aufgeweicht und das im Frühling neu gewachsene Gras flach auf den Boden gedrückt. Sie konnte vor ihrem geistigen Auge nach wie vor den alten, rotangestrichenen Trailer von Julian sehen. Julian, der hier ein neues Zuhause gefunden hatte und trotzdem wieder gegangen war.
Nach dem Schrecken war alles noch verworren. Zuviel Grausames war passiert und hatte tiefe Wunden bei allen hinterlassen.
Eine indianische Legende hatte Menschen entführt, und sie in einer Mine als Nahrung gehortet. Irene war in die Fänge dieses Wesens geraten, doch Askuwheteau, ein bekannter Indianer aus dem Indianerrat des County hatte sich geopfert, um sie zu retten. Sowohl er wie auch Julian waren durch das Böse mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert worden.
Die Polizei, die Ranger, alle waren auf den Plan getreten, um die Sache zu klären. Danach hatte Irene für die Cedars Tribune einen Bericht über einen Killergrizzly verfasst, der dank eines bekannten, mutigen Indianers aus Stormy Mills zur Strecke gebracht wurde. Es war der schwerste Bericht ihres Lebens gewesen, doch besser sie machte es, als irgendjemand anders, der keine Ahnung davon hatte.
Ein paar Tage füllte das Thema sämtliche örtliche Zeitungen, bis erneut der Alltag ins Land einkehrte.
Als Matt aus dem Krankenhaus zurückgekehrt war und der Trubel sich legte, hatte Julian sich verabschiedet, um, wie er meinte, einiges mit seinem alten Freund Will zu klären, der in Wyoming eine Detektei betrieb.
Ob ihm das inzwischen gelungen war? Hatte er alles verarbeitet? Konnte er ruhig schlafen, ohne von Albträumen geplagt zu werden, so wie sie?
»Wohl eher nicht«, sprach Irene zu sich selbst. Er war auch nur ein Mensch und sie hatte gespürt, wie tief das Erlebte an ihm nagte. Verständlich, wenn man bedachte, dass er seine Mutter und seine Schwester an einem Monster verloren hatte.
Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals und Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihr Abschied war nicht gut verlaufen. Zu verworren, zu viele nicht geklärte Einzelheiten und jetzt war es zu spät. Sie blinzelte die Tränen weg. Eigentlich wollte sie nicht ständig an ihn denken, doch er fehlte ihr.
Als der Sommer mit all seiner bunten Vielfältigkeit den Winter ausradiert, und ein Paradies im Mistydew County gezaubert hatte, schien die Welt wieder in Ordnung.
Zumindest für die Meisten aus der Gegend. Aber Julian war fort und Askuwheteau würde niemals wiederkommen.
Das letzte Jahr hatte ihr Leben komplett auf den Kopf gestellt und es schien noch lange nicht vorüber. Ständig hatte sie das Gefühl, dass das Böse, in welcher Gestalt auch immer, zurückkehren würde.
Askuwheteaus Haus stand leer und verlassen da. Die Parkranger hatten es zwar als ein weiteres Schutzhaus in den Bergen in ihre Obsorge genommen, doch sie brachten es nicht übers Herz, etwas daran zu verändern.
Gleich einem inneren Zwang zog es Irene immer wieder dort hin. Der Platz hatte etwas Tröstliches, so als ob der Indianer noch immer vor Ort war, auch wenn sie ihn nicht sehen konnte. Natürlich war es Schwachsinn, so zu denken, aber sie wollte sich nicht von diesem Gefühl distanzieren.
Unwillig wischte sie sich eine Träne aus den Augenwinkeln.
Ein dezentes Klopfen riss sie aus ihren Gedanken.
»Ist offen.«
Sie wusste, dass es Matt war. Er schien ein Gespür für ihre Stimmungen zu haben, und tauchte immer in den richtigen, oder wenn man es so wollte, falschen Augenblicken auf.
Ein dunkler Haarschopf erschien in der Tür, besorgte Augen musterten sie.
»Ich dachte mir, du könntest einen Kaffee gebrauchen.«
Sie nickte gedankenverloren, während er eine große Tasse auf ihrem Schreibtisch abstellte …

Ende der Leseprobe

COPYRIGHT © 2016 A. C. Greeley

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